Die Rosi und der Heiden

Die Zeitungen sind voll davon. Aber muss das jetzt auch noch hier im Blog sein? Muss jetzt auch noch der Kamke mit Wintersport anfangen, mit Ski alpin und Biathlon und Magdalena Neuner?

Nee, muss er nicht. Aber er tut’s. Ein bisschen, weil ihn Wintersport schon lange interessiert, weil er Moravetz’ Behlefrage live oder zumindest in der damaligen, im Vergleich zu heute lächerlich kurzen Olympiaberichterstattung miterlebte, weil er Mietos Drama sah und die TausendstelHundertsteldiskussion begleitete, weil er, dem väterlichen Beispiel folgend, handschriftliche Ergebnislisten bei Abfahrten und (Riesen-)Torläufen führte, und weil er sich zwar noch nicht 1980, aber dann in Sarajevo in den Bann der Herren Angerer, Kvalfoss und Rötsch ziehen ließ. Modesportart Biathlon my ass.

Nachdem das ge- oder zumindest erklärt wäre, kann ich nun ja Entwarnung geben. Ich will gar nicht über Wintersport schreiben. Nur Magdalena Neuners bevorstehenden Rückzug zum Anlass nehmen, nach Präzedenzkarriereenden zu fragen. Es ist ja nicht so, dass verschiedene Medien diesen Gedanken nicht auch schon gehabt hätten. Da fallen dann Namen wie Katja Seizinger, Rosi Mittermaier, Kim Clijsters oder Mark Spitz, in Österreich natürlich auch Toni Sailer und Petra Kronberger. Auch Annemarie Moser-Pröll war letztlich noch keine 27, als sie aufhörte.

Die kann man natürlich alle nennen, letztlich sind die Fälle aber sehr unterschiedlich gelagert. Mich interessieren insbesondere diejenigen, die aus freien Stücken und ohne spätere Comebackversuche Schluss gemacht haben. Ob letzteres auf Magdalena Neuner zutrifft, wird man sehen; Mark Spitz, Kim Clijsters oder auch Ian Thorpe und Björn Borg fallen damit schon einmal heraus.

Gleiches gilt für Katja Seizinger, die meines Wissens aus gesundheitlichen Gründen keine Perspektive mehr sah. Wobei dieser Grat ein schmaler ist – aus heutiger Sicht liest man die Erklärung, dass Petra Kronberger bei ihrem frühen Karriereende ausgebrannt gewesen sei, mit einer ganz anderen Sensibilität als vielleicht noch vor ein paar Jahren. Und wie blickt man, auch wenn sie nicht in dem Maße herausragend war wie die meisten anderen Genannten, auf die damalige Stabhochspringerin Yvonne Buschbaum? Rücktritt aus persönlichen Gründen?

Katarina Witt las ich noch irgendwo; da bin ich allerdings der Ansicht, dass es nicht nur um das reine Rücktrittsalter geht, sondern auch um die Altersstruktur in der jeweiligen Sportart, was mich zögern lässt, EiskunstläuferInnen oder Turnerinnen zu berücksichtigen, die mit Anfang oder Mitte zwanzig zurücktraten.

Wer zweifellos fehlt, ist Eric Heiden, der mich in Lake Placid faszinierte. Alle fünf Einzelstrecken, sagenhaft! Und der danach an der Tour zeilnahm und den Giro beendete. Gilt eigentlich Carolina Klüft als Sportartwechslerin, die ihre grandiose Siebenkampfkarriere 2008 beendete? Ich neige zu einem Ja. Und weigere mich trotzdem, Gewichtsklassen wechselnde Boxer aufzunehmen.

Und beim Fußball? Hat Éric Cantona seine Karriere, wenn auch nicht auf dem absoluten Höhepunkt, so doch noch in der Blüte seiner Leistungsfähigkeit “einfach so” beendet? Meines Erachtens schon. Und wer hat sich sonst noch “vor der Zeit” verabschiedet? Bis vor wenigen Tagen war, wenn auch ohne die letzte Überzeugung, Arne Friedrich in der Verlosung. Und sonst?

Ich mach einfach mal ne Liste. Würde mich freuen, wenn sie anwüchse.

Magdalena Neuner, Biathlon, 25
Rosi Mittermaier, Ski Alpin, 25
Toni Sailer, Ski Alpin, 22
Petra Kronberger, Ski Alpin, 23
Eric Heiden, Eisschnelllauf, 21
[Carolina Klüft, Siebenkampf, 25]
Samppa Lajunen, Nordische Kombination, 24
Helena Ekholm, Biathlon, 27
Bobby Fischer, Schach, 29

Fußball:
Eric Cantona, 30
Tobias Rau, 27
Bodo Illgner, 34
Marco Bode, 32

0 Gedanken zu „Die Rosi und der Heiden

  1. Interessantes Thema. Gut, dass hier die gesundheitlichen Gründe berücksichtigt werden. Damit dünnt sich die Liste aus. (In der Wikipedia habe ich Eric Heiden nachgeschlagen – den hatte ich vergessen – und dort wird etwas von einem kurzen Comeback als Radfahrer geschrieben.)

    Was mir an der Causa Neuner am meisten aufgefallen ist: dieser frühe Rücktritt zu Beginn einer Saison. Normalerweise beenden Sportler ihre Karriere, wenn es für sie nichts mehr zu gewinnen gibt bzw. nach sehr großen Erfolgen (Olymp. Spiele; WM). Bei Neuner wurde nun jedes Rennen zum Abschiedsrennen. Der Rücktritt kann dann eigentlich nicht mehr aus mangelnder Motivation heraus begründet werden, denn diese Nonstop-Abschiedsreise stelle ich mir eher noch deprimierender. Dass Neuner alles gewonnen habe, kann man so auch nicht sagen. Spontan ist mir da der Verdacht eines gewissen Narzissmus aufgekommen. Aber vielleicht ist das zu böse.

  2. @Max:
    Danke.

    @Gregor Keuschnig:
    Empfinde ich auch als eher ungewöhnlich, diese Abschiedstournee. Ganz abwegig dann auch wieder nicht, wenn man zum Beispiel an den – wesentlich älteren – Abfahrer Didier Cuche denkt, der sein bevorstehendes Karriereende ebenfalls recht früh bekannt gab.

    Bei Neuner war es, wenn ich mich recht entsinne, doch so, dass sie schon im vergangenen Jahr mit der einen oder anderen Aussage Spekulationen um einen relativ frühen Rücktritt den Weg geebnet hat. Ich kann mir schon vorstellen, dass es nur schwer möglich gewesen wäre, das wieder einzudämmen – möglicherweise ist es, wenn die Entscheidung schon getroffen ist, dann auch der vernünftigere Weg, früh reinen Tisch zu machen, als die ganze Saison über auszuweichen oder zu lügen.

    Möglicherweise bin ich ein wenig naiv, aber ich halte Magdalena Neuner tatsächlich ein Stück weit für den Menschen, als der sie auch vermarktet wird. Weder für besonders narzisstisch noch für eine “Kannibalin”, um einen Begriff, den sich zunächst der Radsport angeeignet hatte, zu übernehmen. Worauf ich damit hinaus will, weiß ich selbst nicht so genau. Vermutlich darauf, dass sie gut damit umgehen kann, nicht auch noch den letzten fehlenden Weltmeistertitel gewonnen zu haben (und ihm deshalb weiter nachjagen zu müssen). Irgendwie wirkt das alles auf mich ziemlich glaubwürdig.

    1. Magdalena Neuner ist eine Allgäuerin. Man sagt ihnen nach, sehr klare Vorstellungen zu haben und dementsprechend zu handeln.
      Die große Abschiedstournee haben andere für sie veranstaltet…

  3. Ich war heute bei diversen Ärzten und hatte also viel Zeit, über mögliche Kandidaten nachzudenken. Außer Sebastian Deisler, der ja qua Erfordernissen nicht zählt, ist mir aber nur der spanische Fußballer eingefallen, der letztens seine Karriere mit irgendwas zwischen 23 und 25 beendete, weil es im Fußball nur (noch) um Geld gehe.

    Ansonsten halte ich es für angemessen, zu behaupten, dass Manni Burgsmüller und Jari Litmanen ihre Karriere jeweils vor der nötigen Zeit beendet hatten bzw. haben werden. Ich fürchte aber, die beiden zählen auch nicht.

  4. @Stadtneurotiker:
    Sebastian Deisler zählt, wie der Trainer sagt, insofern qua Erfordernissen nicht, als sein Karriereende meines Erachtens gesundheitlichen Gründen geschuldet ist. Auch wenn mancher die unmittelbare Kausalität zum Zeitpunkt des Rücktritts in Frage stellen mag.

    Es stimmt natürlich, dass Magdalena Neuners Abschiedstournee von anderen in Szene gesetzt wurde. Gleichzeitig sind wir uns vermutlich einig, dass sie mit beiden Beinen im Leben steht und sehr wohl wusste, also auch mehr oder weniger billigend in Kauf nahm, dass eine solche Dynamik entstehen würde.

    @Trainer Baade:
    Ich lachte laut schmunzelte sehr.

    Stimmt, der spanische Fußballspieler, dessen Namen ich nicht mehr weiß. Ursprünglich sollte im Text auch noch der Name Tobias Rau auftauchen, ging aber leider irgendwo zwischendurch verloren. Auch er war natürlich kein absoluter Superstar, hatte einige gesundheitliche Probleme gehabt und war auch sportlich weit von dem entfernt, was man sich zeitweise von ihm versprochen hatte. Dennoch ein bemerkenswerter Schrit mit 27.

    Im Übrigen hoffe ich, dass Deine Arztbesuche Heilung oder Entwarnung mit sich brachten.
    __________

    Per Twitter waren noch ein paar Vorschläge genannt worden: Christa Kinshofer (mit variierenden Doppelnamen), Franziska Schenk, Sebastian Bönig.

    Als Blogbetreiber, der sich von Kommentaren ernährt, kann ich sie natürlich aus trotzig-grundsätzlichen Erwägungen nicht in die Liste aufnehmen. Was bei Bönig auch aus anderen Erwägungen heraus eher nicht zur ebatte stünde, bei den beiden Damen schon eher.

    Dass Christa Kinshofer bei ihrem Rücktritt erst 27 Jahre alt gewesen sein soll, kann ich gar nicht recht glauben, reichte ihr Skifahrerinnenleben doch für drei Karrieren: zwei im DSV, eine in den Niederlanden. Tatsächlich bleibe ich, auch unabhängig von den Verletzungsproblemen, die ihren Rücktritt beschleunigt haben dürften, bei der Sichtweise, dass eine Alpinskifahrerin, die in den 80ern mit 27 zurücktrat, gar nicht so weit außerhalb der Norm war, wie bereits bei der im Text genannten Annemarie Moser-Pröll gehandhabt.

    Franziska Schenk tue ich möglicherweise unrecht, wenn ich sie auch aus sportlichen Kriterien nicht aufnehme. Schließlich ist eine Bilanz mit Olympiabronze und ein Weltmeistertitel sehr beachtlich. Aber irgendwie verblasst sie im Vergleich zu Leuten wie Eric Heiden, Petra Kronberger oder Magdalena Neuner, die den Anstoß zu diesem Text gaben. Selbst gegenüber Helena Ekholm, bei der ich auch kurz gezögert hatte.

    Willkür? Ein bisschen.

  5. Hm, schade, Tobias Rau wäre auch mein Kandidat gewesen.

    Zudem bin ich bis vor wenigen Minuten immer davon ausgegangen, dass Jens Jeremies der erste Fußballer in freiwilliger Frührente sei. Musste mich aber bei Wikipedia eines Besseren belehren lassen, dass “Jeremies aufgrund mangelnder Krankenhaushygiene nach einer Knieoperation seine Karriere beenden” musste. Aha?!

    Tja, damit bin ich raus. Mein ungegoogletes Wissen gibt nicht mehr her!

  6. Bodo Illgner?

    Der war bei seinem Karriereende zwar schon 34, aber das ist ja analog reziprok zu Frau Witt kein Alter für einen Torwart. Interessant vor allem folgender Hinweis aus Wikipedia:

    “Im Juli 2001 wurde der bis 2002 laufende Vertrag mit Real Madrid in beiderseitigem Einvernehmen aufgelöst. Mit 34 Jahren beendete er seine Laufbahn als Profi. Danach hütete er regelmäßig das Tor der Veteranenmannschaft der Madrilenen.”
    http://de.wikipedia.org/wiki/Bodo_Illgner

    Aber so ganz in den Reigen passend ist Illgners Karriereende natürlich nicht.

  7. An Bode und tatsächlich auch Illgner hatte ich bim Schreiben auch kurz gedacht, Bodes Rücktrittsalter sogar nachgeschlagen und mich dann, nur leicht zögernd, erst einmal dagegen entschieden. Bei Illgner hatte ich die analoge Reziprozität möglicherweise nicht heinreichend in Betracht gezogen.

    Trage mich nun aber mit dem Gedanken, eine eigene Fußballerliste zu führen, die kein doppeltes Olympiagold oder mindestens 28 Weltcupsiege voraussetzt.Da würde dann grundsätzlich auch Yves Eigenrauch reinpassen – über die Hintergründe seines Karriereeendes weiß ich allerdings nichts.

  8. Auch auf die Gefahr hin, gevierteilt zu werden: Wie wär’s mit Bobby Fischer? Nimmt man den Weltmeistertitel von 1972 als das Ende (vieles spricht dafür), dann ist 29 für einen Schachspieler in etwa so, als würde ein Fußballer mit 18 aufhören. (Apropos: was ist mit Mourinho, der als 19jähriger aufhörte und dann Trainer wurde? Andere Kategorie?)

    Zu Neuner noch einmal: Ich verfolge Biathlon ja nicht so intensiv und war überrascht, als es hieß, Neuner hätte sich schon letzte Saison mit Rücktrittsgedanken beschäftigt. Ich empfand dann diese Tournee als sehr merkwürdig. Bei Cuche sehe ich das anders, weil der mit 38 Jahren nicht mehr “im Saft” steht. Bei Neuner ist es eben das Alter.

  9. Gevierteilt? I wo! (Wollte ich schon immer mal schreiben.)

    Natürlich kann man darüber diskutieren, ob Schach Sport ist oder nicht, ich habe da auch meine Zweifel. Aber ich finde, dass Bobby Fischer hervorragend passt. Beim Schach würde ich nicht einmal ausschließen, Kasparows offiziellen Rücktritt mit 42 als verfrühten Rückzug zu bezeichnen.

    Wenn Mourinho mit 17 als herausragendes Talent gegolten und mit 18 die Liga wenigstens ein bisschen aufgemischt hätte … war aber meines Wissens nicht der Fall, deshalb sehe ich ihn nicht in dieser Reihe.

  10. Lässt sich die Liste auch auf Trainer ausdehnen? Da mir Wintersporttrainer nicht so geläufig sind, würde ich mich dabei mehr auf die Übungsleiter im kickenden Gewerbe konzentrieren.

    Normativ ist das natürlich eine schwierige Sache: Gilt ein Trainer auch dann als zurückgetreten, wenn er nebenbei mit diversen Clubs oder Nationen verhandelt? Kann man also Thomas Doll zählen? Sicher nicht, denn der wird irgendwann mal wieder auf der Bildfläche erscheinen. Anders sieht es da schon mit Jürgen Röber oder Klaus Toppmöller aus.

    Auch die Altersgrenze ist für Trainer schwierig zu bestimmen, siehe Otto Rehagel. Das ist aber auch die Blaupause, hinter der Röber und Toppmöller noch so jung wirken, so dass sie überhaupt in diese Liste passen.

    Da ich mich hier auf VfB-Terrain bewege, fällt mir doch gleich Helmut Benthaus ein. Meister mit 49 Jahren, Karriereende mit 52…wie geschaffen für diese Liste!

  11. @heinzkamke
    Stimmt, Mourinho galt wohl nie als “Talent”.

    @Hennes
    Auch ein interessanter Ansatz. (Wobei ich – aber das gehört eigentlich nicht hierher – Rehhagel eher peinlich finde.)

  12. Benthaus … sehr schön. Versicherungsvertreter.

    Ich dachte da auch auch Bernard Dietz, von dem ich – letztlich doch nicht zutreffend – gemeint hatte, er habe sich irgendwann bewusst für dei Jugendarbeit entscheiden und sei diesem Entschluss dann auch treu geblieben.

    Klaus Fischers Trainerkarriere war auch eher kurz.

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