Sommerliche Substitutionsstrategien.

Man kann sicherlich geteilter Meinung darüber sein, ob die fußballerische Sommerpause mit dem Trainingsauftakt der meisten Bundesligisten bereits ihr Ende gefunden hat, oder ob die ganzen fürchterlichen Vorbereitungsspiele aus Belek, Abu Dhabi oder sonstwo nicht erst die eigentliche saure-Gurken-Zeit darstellen. Man kann sogar auf dem Standpunkt stehen, die Sommerpause sei ein Hirngespinst und sie zum Unwort erklären.

Dass die bundesligafreie Zeit für alle Junkies etwas gewöhnungsbedürftig ist, dürfte indes außer Frage stehen, und mitunter macht sich dann doch ein wenig Verzweiflung breit. Da fängt man dann schon mal an, im Maschinenraum [frei nach dogfood] herum zu werkeln, behilft sich nostalgisch mit den guten alten Zeiten, philosophiert über Rückennummern, befasst sich mit dem Leben nach dem Fußball (oder dem abseits des rein Sportlichen), vielleicht auch mit Fankultur oder Fankultur.

Wenn es sich gar nicht vermeiden lässt, äußerst man sich zu den wildesten Gerüchten vom Transfermarkt oder geht in einem ultimativen Schritt sogar so weit, selbst Sport zu treiben – so wie ich am -bezeichnenderweise- Samstag:

Gemeinsam mit ein paar Freunden nahm ich an einem Freiteitturnier teil, wie es sie derzeit an jedem Wochenende zuhauf gibt. Sowohl die Gesamtschau der Turniere als auch jedes Turnier für sich sind durch ihre Heterogenität gekennzeichnet: Durchschnittsalter der Mannschaften, Spielstärke der und innerhalb der Teams, Spielfeldgröße, Untergrund,… – alles findet sich in allen Variationen.

Zu den Gemeinsamkeiten dürfte indes die Gewissheit zählen, dass es irgendwann im Lauf eines solchen Turniers in irgendeiner Form knallt. Gelegentlich spielt dabei Alkohol eine Rolle. Am Samstag durfte ich wieder einmal als stiller Beobachter dabei sein. Ok, nicht ganz als stiller Beobachter – meine Zeugenaussage hat die Polizei durchaus interessiert.

Es war eines dieser Spiele, bei denen eine junge, fußballerisch limitierte, aber hochgradig (über-)motivierte Mannschaft (die “Aggressiven”) auf einen erfahrenen, weit überlegenen Gegner trifft, dessen Fokus nicht nur auf dem sportlichen Erfolg liegt (die “Betrunkenen”). Die Aggressiven schlugen von Beginn an in punkto Einsatz über die Stränge, weit über die Stränge, und wurden auch rasch mit einer selbstverständlich völlig unberechtigten Zeitstrafe belegt, was sie nur noch wilder machte, angetrieben von einem fanatischen weiblichen Anhang. Die Betrunkenen ließen Ball und Gegner laufen und gingen den Zweikämpfen möglichst aus dem Weg, waren dafür aber insgesamt nicht mehr behände genug, so dass einer der ihren einer Roy-Keane-Gedächtnisgrätsche (wer sie sich ansieht: bitte auch “more Info” zum Clip lesen) nicht mehr ausweichen konnte.

Nun wurden auch die Betrunkenen etwas unwirsch und stellten den Täter, der sich aber zu wehren wusste. Die Veranstalter stürmten auf den Platz, um der Rudelbildung Herr zu werden, was insofern nicht ganz gelang, als einer von ihnen im entstehenden Knäuel die unterste Position einnahm. Diese Situation nutzte einer der Aggressiven aus, der sich bis dahin im Hintergrund gehalten hatte: er eilte aus dem Hintergrund heran und führte ohne Ball drei Spannstöße aus, die allesamt diesen unten liegenden Hausherrn trafen.

Irgendwie war die Übermacht der Vernünftigen dann doch so groß, dass die Aggressiven sich zurückzogen. Leider wurden erst nach und nach die Informationen zusammen getragen, sodass sich der besagte Treter wohlweislich bereits aus dem Staub gemacht hatte, als die mit etwas Verspätung herbei gerufene Polizei eintraf und einige seiner Mitspieler gerade noch befragen konnte. Selbstverständlich kannte keiner von ihnen den Täter, geschweige denn seinen Namen, und überhaupt seien ja sie die Opfer gewesen.

Erfreulicherweise trug der -unter anderem- so malträtierte Veranstalter keine nennenswerten Verletzungen davon (die Schwellung unter dem Auge dürfte auch bald verschwunden sein). Der wirklich übel gefoulte Spieler stand irgendwann zumindest wieder auf eigenen Beinen, wird aber die ärztliche Diagnose abwarten müssen.

Fußball.

Mit dieser Aktion haben die Aggressiven übrigens einige Fans des VfB Stuttgart in den Schatten gestellt, die sich am Samstag ebenfalls sehr geistreich mit Fußballthemen befasst hatten.

0 Gedanken zu „Sommerliche Substitutionsstrategien.

  1. Aber Holla! Die ganzen “fürchterlichen Vorbereitungsspiele” sind doch der Höhepunkt der gesamten Saison. Zumindest wenn man Anhänger von Eintracht Frankfurt ist.

  2. Die fürchterlichen Vorbereitungsspiele aus Belek und Abu Dhabi erfreuen uns in der Winterpause, wenn wir die Fussball-lose Zeit mit Skispringen und Biathlon substituieren.

    Nein, die Sommervorbereitungsspiele kommen in der Regel aus Kärnten, Donaueschingen und dem Münsterland – Gegenden, in denen man nicht tot über dem Zaun hängen will, die einem aber in der saure-Gurken-Zeit wenigstens über die Tour-de-France hinwegtrösten.

  3. Schande, da war es wohl nur zu meinem Vorteil, dass ich nicht in Konstanz weilte zu jener Zeit. Ich habe dafür auf einem Fußball-Volleyball Kombiturnier die Gräten hingehalten. Nicht ganz ohne Erfolg, wie die Schürfwunden und lilagelbgrünen Flecken am ganzen Körper beweisen. Wir haben die Kloppertruppe übrigens abgekocht, das war so sehr Genugtuung, dass der ob des entstandenen Aderlasses verpasste Finaleinzug in der nächsten Runde gut zu verschmerzen war.

  4. @Stefan:
    Ich dachte immer, das sei nur die Sichtweise der jeweiligen Gastgeber aus der Kreisliga.

    @jens:
    Vermeiden lässt sich das sicher nicht. Grade in diesem Fall handelt es sich noch dazu um einen Veranstalter, der durchaus selektiv vorgeht und auch Mannschaften ablehnt.

    @Erik:
    Wo du recht hast, hast Du recht.

    @nedfuller:
    Du wirst jetzt nicht sagen wollen, in Hamburg habe man da eine Art Pole Position…?

    @erz:
    Ach, Ihr wart in dem Fall die talentierten Betrunkenen? 😉

  5. “bitte auch “more Info” zum Clip lesen”

    Also bei mir steht da nichts (abgesehen von der gruseligen Qualität des Videos). Zumindest nichts, was die versuchte (und erfolgreiche) Körperverletzung durch Roy Keane erklären oder gar rechtfertigen könnte. Da hilft die Wikipedia schon weiter.

  6. Dass dem gemeinen Leser die Geschehnisse um Keane und Håland bekannt sind bzw. er (sie) in der Lage ist, sie bei Interesse zu recherchieren, setze ich voraus.

    Bemerkenswert finde ich indes, dass man es für eine gute Idee halten kann, dieses Video mit “There’s Only 1 Keano” zu beschreiben.

    Ich stellte mir sogleich vor, wie in den 80er Jahren (man ist halt ein Kind seiner Zeit) bei Fällen, die einen -für die damalige Zeit- vergleichbaren öffentlichen Aufschrei der Empörung hervor riefen, das viel zitierte “Es gibt nur ein’…” (je nach Geschmack: Norbert Siegmann / Klaus Augenthaler /Toni Schumacher) in Gladbach, Bremen oder Frankreich aufgenommern worden wäre (unabhängig von Problemen mit der Metrik).

    Dummerweise (sorry) ist jedoch der besagte Spruch beim erst vor wenigen Tagen verlinkten Håland-Video mittlerweile nicht mehr unter “more Info” verborgen, sondern offen lesbar, sodass mein Hinweis wohl in die Irre geführt hat.

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