MdL, MdB – comme ci, comme ça

Vor ein paar Tagen war sie wieder einmal da, diese Frage, mit der wir uns wohl alle gelegentlich beschäftigen müssen:

Mit oder ohne Komma?

Dabei meine ich nicht einmal einen der Fälle, wo man sich vielleicht nicht ganz sicher ist, noch nie so wirklich sicher war, und bei denen noch dazu die “neue Rechtschreibreform”, von der man schon so viel gehört hat, Veränderungen oder gar ein Wahlrecht mit sich gebracht haben könnte:

Soll man jetzt einen erweiterten Infinitiv mit Komma abtrennen oder nicht? Wie war das mit den Appositionen bzw. wann ist es eine? Und Vergleiche sind ja ohnehin ein Fall für sich.

Fragen also, auf die man gerne mal mit Aussagen wie “Da muss ich mir erst den ganzen Satz anschauen” reagiert, um dann mehr oder weniger fundiert aus dem Bauch heraus zu entscheiden.

Im vorliegenden Fall ging es indes um eine ganz konkrete Konstellation, die keineswegs von irgendwelchen Besonderheiten der Satzstellung abhängt. Bis vor einigen Jahren war es in meinem unmittelbaren beruflichen Umfeld Usus, einerseits “Vorname Name MdB”, andererseits (für Baden-Württemberg) “Vorname Name Komma MdL” zu schreiben. Begründet wurde das mit einer dubiosen Quelle. Dann gingen wir dazu über, halbwegs konsequent Kommata zu setzen. Ohne Begründung.

So richtig glücklich stimmte mich das nicht, so dass ich ein wenig herumgefragt habe. Bei Twitter, zum Beispiel, wo man mich auf die Suchfunktion seriöser Zeitungsportale verwiesen hat – guter Tipp, dort kann man für das jeweilige Medium zumeist halbwegs einheitliche Regelungen ersehen – Tendenz: Komma. Da man jedoch “den Medien” gegenüber gar nicht vorsichtig genug sein kann, wäre mir schon an etwas Offiziellerem gelegen gewesen. Das Abgeordnetengesetz wurde mir auch empfohlen, ich hatte es mir jedoch bereits vergeblich angesehen.

Glücklicherweise hat der Landtag einen telefonischen “Informationsdienst”:

“Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich würde sagen mit … Quelle? Nein, Quelle hab ich auch keine … Warten Sie, ich frag mal den Kollegen … Oh, der sagt ohne.”

Ok, schauen wir nach gedruckten Informationen. Beim Landtag kann man zum einen den Landtagsspiegel (“Jahresbilanz des Landesparlaments”), zum anderen das Volkshandbuch (“Mitglieder des Landtags mit […] Kurzbiografien”) beziehen. In letztgenanntem Werk heißt der baden-württembergische Innenminister Heribert Rech (CDU), MdL; in ersterem wird er als Heribert Rech [kein Komma] MdL, CDU geführt. Kein Komma hat er auch im Internetportal des Landes, dafür ist die CDU umklammert. Was nochmal ein ganz anderes Thema wäre.

Beim Referat für Öffentlichkeitsarbeit des Bundestags war die Antwort eindeutiger: mit Komma. Allerdings war kein Kollege zugegen, der eine gegenteilige Meinung hätte einbringen können. Ergo: MdB haben ein Komma.

Blöd, dass die das selbst nicht alle wissen. Herr Gienger hat beispielsweise auf seiner Website keines, auf bundestag.de durchaus. Ähnlich bei den zufällig ausgewählten Herren Barthle und Dr. Kaufmann. Frau Kumpf hingegen ist konsequent und hat stets ein Komma, während nicht wenige gewiefte Abgeordnete das MdB einfach weglassen und so der Frage aus dem Weg gehen. Ein besonders prominenter langjähriger Abgeordneter kommt übrigens sogar auf bundestag.de ohne Komma aus.

Irrelevant? Ein Streit um des Kaisers Bart? Mag sein. Dennoch bemerkenswert, dass in diesem unserem Lande, das ja nur selten an einem Mangel an klaren Regeln leidet, eine so elementare Frage  – Wie benennt man seine Volksvertreter korrekt? – nicht eindeutig beantwortet ist. Oder aber die Antwort wird schlecht kommuniziert, was im Ergebnis keinen Unterschied ausmacht.

Was mich übrigens auch noch interessieren würde:
Warum ist sich die Wikipedia so sicher?

Und vor allem:
Wer von den werten Leserinnen und Lesern weiß wirklich Bescheid?

0 Gedanken zu „MdL, MdB – comme ci, comme ça

  1. Mit Komma. Allein schon deswegen, weil ich ja auch nicht schreiben würde “Jeky twittersüchtig” sondern mit Komma. Also quasi wie eine Zustandsbeschreibung.

    Ich bin mir ziemlich sicher, kann das aber nicht belegen. Also, dass ich sicher bin, kann ich schon belegen, aber nicht, dass es dann auch so ist.

    Mannmannmann, Sie stellen aber auch Fragen!

    1. Interessant find ich ich ja auch, dass sich – ähnlich wie Sie – geschätzte 70 Prozent derjenigen, die ich zu dem Thema befragt habe, Ihrer Meinung sehr sicher waren.
      Leider waren diese Meinungen keineswegs einheitlich.

  2. Wenn es ein Titel wäre, würde ich ein Komma setzen. Zum Beispiel wie bei “Vorname Nachname, M.A.”
    Es gilt meines Erachtens aber als Namenszusatz und daher ohne Komma.

    @jekylla “twittersüchtig wäre eine nähere Beschreibung, wie zum Beispiel “Vorname Nachname, zweifacher Vater”.

    Belegen kann ich es nicht. Bücher sind zu Hause. Trage ich mir aber als Hausaufgabe ins Muttiheft.

    1. Als Namenszusatz ohne Kommaverpflichtung würde ich eher einen erworbenen Titel wie Dr. ansehen, der ja tatsächlich zum Namen gehört und auch nicht so einfach verschwindet wie der eines MdL oder MdB.

      Das Schlimme ist, Herr Kamke hat sicher schon alles abgesucht, wie ich ihn einschätze.

  3. Ich bin weit davon entfernt, alles abgesucht zu haben. Derlei Informationen sind bestimmt vor allem offline zu finden, wo meine Recherchewut in der Regel engere Grenzen hat.

    Im Übrigen sind ja auch genügend Abgeordnete bei Twitter unterwegs, die man fragen könnte, aber zum einen zeigen die Websites, dass man sich dort auch nicht einig ist, zum anderen: woher sollen das die twitternden Praktikanten wissen? Oder so.

    Vielleicht frage ich doch mal noch schriftlich beim Bundestag nach. Oder ich denke an Kaisers Bart. In erster Linie aber baue ich auf Sebastians Muttiheft und seine Bücher.

    1. Selbstverständlich hilft es dir kein bisschen weiter, aber für diesen und ähnliche Fälle gibt es nichts Schöneres als das AP Stylebook. Wenn man gerne Englisch schreibt. Oder sich in den Vereinigten Staaten aufhält.

      “legislative titles
      Use Rep., Reps., Sen. and Sens. as formal titles before one or more names in regular text. When necessary for clarification, use: Sen. Sue Atkins or U.S. Rep. Tom Lee. Spell out and capitalize these titles before one or more names in a direct quotation. Spell out and lowercase representative and senator in other uses. Spell out other legislative titles in all uses. Capitalize formal titles such as assemblyman, assemblywoman, city councilor, delegate, etc. when they are used before a name. Lowercase in other uses.”

      Einfach wunderbar.

  4. Tataaaaa!

    Sehr geehrte Frau Jekylla,

    die Schreibweise lautet korrekt: Herr Hans Müller, MdB

    Es handelt sich hierbei um die Abkürzung Mitglied des Bundestages. Sie können aber auch die Schreibweise Herr Abgeordneter Hans Müller verwenden.

    Da mir Ihre E-Mail erst heute Morgen zugeleitet wurde, war eine schnellere Beantwortung leider nicht möglich. Mit freundlichen Grüßen

    S. R. [Name gekürzt]

    Deutscher Bundestag
    Unterabteilung Information und Öffentlichkeitsarbeit
    Platz der Republik 1
    11011 Berlin

    Das nenne ich mal eine recht flotte Reaktion!

  5. Frau Jekylla und Frau R, Sie begeistern mich, vielen Dank!

    Wenn man jetzt mal noch an den kleinen Finger und die ganze Hand denkt, könnte man bedauern, dass die großartige Dame aus der Bundestags-verwaltung keine schriftliche Quelle genannt hat.

    1. Wir sind uns schon deutlich näher gekommen.
      Aber auf die Nachfrage wusste sie auch nichts, sie empfahl, sich diesbezüglich an die Gesellschaft für Deutsche Sprache zu wenden. Viel Spass dabei und Gruß von Frau R.!

  6. Telefonische Auskunft der GfdS:
    Grds. ist “mit Komma” korrekt. Möglicherweise wird es von den Abgeordneten und deren Umfeld zunehmend als Namensbestandteil gesehen (“da wird etwas überhöht”, hihi), wie sich ja auch in anderen Teilbereichen abweichende Schreibweisen ergeben, sodass auch die Version ohne Komma eine gewisse Verbreitung erreicht hat.

    1. Dann hätten Sie das ja nun vollumfänglich geklärt. Ich könnte ja an dieser Stelle noch mal erwähnen, dass ich das ja gleich gesagt habe, aber das klänge zu überzogen und ich bin ja eher der bescheidene, zurückhaltende Typ, also ich lass ich das.

  7. Mal eine andere Idee. Vielleicht rührt die Schreibweise “Vorname Nachname, MdB” aus einem technischen Zwang her.
    Jeder, der mal versucht hat, in elektronische Adressbücher bestimmte Kombinationen von Titel und Namenszusätzen einzupflegen, wird wissen, wovon ich spreche. Zum Beispiel kann man manchmal Stunden damit verbringen, das “zu” oder “von” so unterzubringen, dass es nicht im Feld Nachname oder Vorname auftaucht und damit die alphabetische Sortierung durcheinanderbringt. Trotzdem soll dann aber in der Übersicht der Name korrekt widergegeben werden. Noch spannender wird das in selbstgestalteten Systemen, wenn man zum Beispiel ein Content Management System betreibt und die Felder ausfüllt und auf der Website die korrekte Schreibweise dargestellt werden soll. Nur sind die Redakteure und Programmierer des CMS meist unterschiedliche Leute. Und da versucht man sich damit zu Helfen, indem es Felder für Titel und für Namenszusätze gibt. Und dann gibt es aber Titel die vor dem Namen ausgegeben werden (z.B.: Prof. Dr.) und welche, die nach dem Namen mit Komma abgetrennt werden (Ph.D. oder M.A.).
    Selbst wenn man es so regelt, dass die Bezeichnung MdB als Titel nachrangig durch ein Komma getrennt wird, hat man immer noch mit den Nutzern der Systeme zu kämpfen. Diese beziehen sich entweder auf eine andere Regelung oder ihren eigen Gusto und setzen die Titel oder Namenszusätze dann in andere Felder, damit es ausgegeben wird, wie es ihnen gefällt. Ich nenne das gerne “Feldmißbrauch”.
    Lange Rede, kurzer Sinn. Sich auf bestimmte Regeln der Bundestagsverwaltung zu beziehen hat meines Erachtens wenig Sinn. Es hilft nur, sich selbst schlau zu machen, ob die Bezeichnung irgendwo geregelt wurde. Aus dem Stand fällt mir DIN ein oder das Abgeordnetengesetz.

  8. @Sebastian:
    Irgendwie unangenehmer Gedanke mit dem technischen Zwang aus CMS und evtl. auch CRM, aber alles andere als abwegig.

    Im Abgeordnetengesetz habe ich den Begriff “MdB” neulich nicht gefunden, die Gesellschaft für Deutsche Sprache hat lediglich von anderen Fällen ableitend argumentiert. Ich kann mir indes nach wie vor schwer vorstellen, dass die Verwendung von MdB etc. nirgends explizit geregelt ist.

  9. Lieber Heinz Kamke,

    ich bin eben über dasselbe Problem gestolpert. Aber warum sich nicht an den Duden halten? Der wirkt ja durchaus normierend. Und – wie oben schon gelinkt – schreiben die Experten aus Mannheim in Band 9 “Richtiges und gutes Deutsch”: “Die Abkürzung für Mitglied des Bundestages wird dem Familiennamen in der Regel ohne Komma oder in Klammern nachgestellt.” Das sind zwar noch zwei gleichwertige Schreibweisen nebeneinandander, aber immerhin: Die Zahl der Varianten wird schon einmal kleiner.

  10. Mein persönliches Problem besteht gegenwärtig in erster Linie darin, dass die Überzeugungsarbeit für die auch von mir präferierte Version ohne Komma (und ganz gewiss ohne Klammern) hier im Büro bisher nicht gefruchtet hat. Und füge mich wohl oder übel der Mehrheitsentscheidung.

    Wobei “in der Regel” auch nicht gerade eine klare Ansage derer von und zu Duden einleitet.

    1. Ich würde mich nach wie vor analog zur Mitteilung der Dame vom Bundestag entscheiden. Immerhin hat man dann eine Quelle direkt an der Quelle, der man die Schuld zuschieben kann, sollte jemand anders in diesem Leben nochmal mit der natürlich dokumentierten “richtigen” Version auftauchen.

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