April, April

Heute ist es also wieder soweit. Aprilscherze allenthalben. Auf die keiner reinfällt, weil alle damit rechnen. Hier, so online, meine ich. Ok, Muttern könnte man vielleicht noch drankriegen, ganz früh morgens, am Telefon, aber sonst? Irgendwie ist das Thema durch.

Als Kind hat man mich zumindest einmal so richtig in den April geschickt. Um jedoch der Wahrheit die Ehre zu geben, muss ich einräumen, dass ich gar nicht mehr weiß, ob es wirklich ein Aprilscherz war oder einfach ein jahreszeitunabhängiger Ulk. Die Terminlage deutet auf letzteres hin: zwar im März oder April, aber eher nicht am Ersten. Und wenn ich noch ehrlicher bin, überfallen mich bisweilen Zweifel, ob sich das Erinnerte tatsächlich so abgespielt hat. Überhaupt abgespielt hat? Im Netz finde ich nämlich keine Spuren. Aber vielleicht weiß ja jemand von Euch mehr? Jemand, der in den frühen 80ern den ORF empfangen konnte?

Ich muss um die 10 gewesen sein, vielleicht etwas jünger. Oder auch etwas älter. Wie auch immer. Meine Eltern waren abends ausgegangen, meine Oma, die ein paar Häuser weiter wohnte, verbrachte den Abend bei mir. Sie strickend oder lesend in der Küche, ich vor dem Fernseher. In ORF 1 lief Sport, vielleicht nur der Kurzsport nach der ZIB 1, vielleicht auch Sport am Montag. Auf jeden Fall kam da eine Meldung, vorgetragen vermutlich von Sigi Bergmann, die mich elektrisierte: Karl-Heinz Rummenigge, mein damaliger Held, habe eine besondere Vertragsklausel, von der ich bis dahin noch nie gehört hatte. Er dürfe, wenn sein Verein, der FC Bayern, im Europapokal früh ausscheide, im weiteren europäischen Saisonverlauf für einen anderen Verein spielen. Und dieser Verein sei eben die Wiener Austria, die wenige Tage darauf im Europapokalviertel- oder -halbfinale antreten werde.

Nicht sehr glaubwürdig, meint der geneigte Leser? Wohl wahr aus heutiger Sicht. Vermutlich auch aus damaliger, wenn man ein paar Jahre älter war. Für einen 10-jährigen Rummenigge-Fanboy allerdings, der die Europacupsaison ohne seinen Helden bereits abgeschrieben hatte, der nur rudimentär verstand, was es mit Vertragsklauseln auf sich hatte – damals hatte noch niemand Vertrag -, taten sich nun gänzlich neue Perspektiven auf. Er konnte also doch noch Europacupsieger werden, wenn auch mit der Austria, der ich die Hütteldorfer eigentlich immer vorgezogen hatte. Noch dazu war Rummenigge tatsächlich in ein violettes Trikot gesteckt worden – zwar kann ich nicht ausschließen, dass meine Fantasie mit mir durchgeht und es tatsächlich nur eine Fotomontage war; ich glaube jedoch, dass er sogar im Trikot ein paar Fragen zu dieser sensationellen Wendung beantwortete, die es natürlich auch meinem Vater zu vermitteln galt.

Also beauftragte ich meine nicht mehr ganz junge und in Sachen Fußball bemerkenswert unbeleckte Großmutter, dem am späteren Abend nach Hause kommenden Vater zu vermitteln, dass “der Rummenigge” (immerhin: den Namen kannte sie) am Mittwoch (auch wenn ich weder Jahr noch Spiel weiß: ein Mittwoch war es bestimmt, in der guten alten Zeit) wegen einer ganz besonderen Regelung für Austria Wien gegen wen auch immer (damals wusste ich es ganz bestimmt und legte sicherlich Wert darauf, dass Oma es auch wusste und weitergeben würde) spielen würde. Meine Güte, war ich aufgeregt. So eine tolle Sache, so eine wichtige Information, und ich hatte sie vor meinem Vater! Ich würde ihn auch fragen müssen, ob ich am Mittwoch wenigstens die erste Halbzeit anschauen dürfe.

Papa musste am nächsten Morgen sehr früh aus dem Haus, Mama versuchte mir begreiflich zu machen, dass ich da etwas falsch verstanden haben müsse (klar, nur weil ich es zuerst wusste!), dass es vielleicht sogar ein Witz war. Nein, letzteres glaubte sie eher nicht, sondern hatte wohl schon den Eindruck, meine Fantasie sei mit mir durchgegangen und ich müsse künftig früher ins Bett. Dummerweise ließ sich auch in der Lokalzeitung nichts von diesem sensationellen Coup finden. Und beim Anpfiff stand er nicht auf dem Platz.

Lasst mich bloß in Ruhe mit Aprilscherzen!

0 Gedanken zu „April, April

  1. Oh je, man sieht ihn förmlich vor sich, den kleinen Heinzi, mit roten Wangen und leuchtenden Augen der Oma die Sache erklärend.
    Grausame Welt.

  2. Wer als Kind dergestalt traumatisiert wurde, wird vermutlich ganz automatisch in die Arme eines Vereins getrieben, dessen Entscheidungsträger eine gewisse Vorliebe für originelle Vertragsdetails hegen.

    Ersatzbank? Die Entscheidung liegt beim Spieler.
    Training mit der 2. Mannschaft? Lieber nicht.
    Kreuzbänder? Müssen nicht sein.
    Vertragslaufzeit? So lange sich irgendein Arzt findet, der Spieltauglichkeit attestiert, verlängern wir einfach automatisch.
    DM oder Euro? Lassen wir mal offen.

  3. Wir haben hier gerade im Kreise der zufällig anwesenden Vewandtschaft diese Begebenheit diskutiert. Es ist wahr: diese Meldung gab es. Aber wann weiß natürlich wieder keiner. JA, und es ist auch wahr, daß 3 von 7 diese auch geglaubt haben. Zwei davon sind heute noch ein bischen komisch.

  4. Ich kann mich an diese Geschichte nicht erinnern. Aber wenn ich das richtig nachgesehen habe, kommen bei Rummenigge die Spielzeiten 1977/78 sowie 1982/83 in Betracht.
    In der ersten sind die Bayern nach zwei Niederlagen gegen Eintracht Frankfurt im Achtelfinale des UEFA-Pokals ausgeschieden, während es die Austria bis ins Finale des Pokals der Pokalsieger schaffte. Im Halbfinale trafen sie am 29.3. und 12.4.1978 auf Dynamo Moskau.
    Ich tippe aber auf die andere Möglichkeit, denn 1982/83 spielten sowohl die Bayern als auch die Austria im Europapokal der Pokalsieger. Die Bayern schieden Mitte März im Viertelfinale gegen den FC Aberdeen aus, die Austria jedoch schaltete den FC Barcelona aus und zog ins Halbfinale ein, wo sie am 6. und 19.4.1983 auf Real Madrid trafen.

    Gruß vom Kid

  5. Komisch, ich bekomme keine Kommentarbenachrichtigungen mehr. Und wenn man dann viel zu tun hat, stößt man erst Tage später auf Kommentare aktiver Leser. Sorry.

    @jon dahl:
    Die Klauseln sind jetzt aber wirklich ein wenig weit hergeholt…

    @Dr. Redu:
    Wenn ich jetzt bloß wüsste, ob ich diesem “Es ist wahr: diese Meldung gab es.” Glauben schenken darf. Aber komisch bin auch ich heute noch.

    @Kid:
    Danke für die Recherche. Ich ging natürlich auch nicht ganz blauäugig (will sagen: unreflektiert) an das Thema heran und habe ebenfalls das Frühjar 1983 als wahrscheinlichsten Zeitpunkt identifiziert. Wenn es nur irgendwo einen Beleg gäbe.

    Das Aus gegen die Eintracht war aber nicht das mit dem 5:1 in Frankfurt, oder? Das folgte erst in der deutschen Uefa-Cup-Saison 1979/80, nicht wahr? Und Pezzey traf mindestens doppelt, wenn ich mich recht entsinne.

    1. Ja, vertraue darauf. Die Meldung gab es. Die befragten Probanden waren nicht vorselektiert oder durch Geschenkversprechen o.ä. beeinflußt. Der Alkoholpegel war moderat und die Stimmung zur Zeit der Fragestellung durchaus adäquat.

Schreibe einen Kommentar zu Dr.Redu Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert