zehn/zwanzigvierzehn

Ballade (Chevy-Chase-Strophen)
(Mit viel Wohlwollen.)

Ein wackerer Jüngling auf einer Mission,
so tauchte er damals auf.
Mit neunzehn bestieg er Europas Thron,
begann der Karriere Lauf.

Eroberer kommen, Eroberte gehn,
nur unser Jüngling blieb.
Wir durften gemeinsam ihn altern sehn
und frugen uns, was ihn trieb.

Scudetto, Schale, Uefa-Cup, … –
Trophäen gewann er en masse.
Auch Ruhm und Ehre, nicht zu knapp.
Beim Kontostand wurde er blass.

Ihm galt so mancher Dame Gunst
(die oft ein Mädchen war).
Er estimiert der Ärzte Kunst,
stand fünfmal am Altar.

Doch selbst als er den Göttern gleicht,
im Jubel der ewigen Stadt
den lang ersehnten Olymp erreicht,
gibt’s eins, das er nicht hat.

Ich meine nicht, wie mancher denkt,
das Schussglück, dort vom Punkt.
Auch wenn’s noch in den Kleidern hängt
(wie man in Gladbach unkt).

Selbst als der Wechsel lange her,
das Trauma abgekühlt,
ward im Olimpico die Mär
“Zerbrochener Schuh” gespielt.

Doch die Elfmeter waren’s nicht,
ihn trieb was Anderes um.
Der junge Mann war gar erpicht
auf Königsklassenruhm.

Im Prater blühte mancher Baum,
als Madjer kunstvoll netzt’.
Im Prater platzte des Helden Traum –
sein Blick war hell entsetzt.

Damals in Wien ging sich’s nicht aus,
er stampfte auf vor Wut.
Und forderte bald die Zeit heraus –
sie forderte bald Tribut.

Es war ein Kreuz mit seinem Band,
gleich zweimal hat’s geknallt.
Und wie er so an Krücken stand
hieß es, er sei zu alt.

Doch “Pustekuchen,” sprach er drauf,
“erzählt nicht so ‘nen Dreck!
Einloddarmaddäus gibt nicht auf,
ich bin noch lang nicht weg.”

Und in der Tat: er kam zurück,
verdrängte sogar Thon.
Bestieg am letzten Wegesstück
nochmals den kicker-Thron.

Viel wichtiger, man ahnt es längst:
die Königsklasse rief.
Dort wurd’s am Ende allerengst.
Auch ahnt man: es ging schief.

Dabei versprach der Auftakt viel:
Herr Basler netzte ein.
Der Held beherrschte Ball und Spiel,
so musste es wohl sein.

Der zweite Treffer lag in der Luft,
ein Kracher traf’s Gebälk.
Er atmete schon den Siegesduft,
die Kräfte wurden welk.

So rief er, nicht mehr ganz so flink:
“Hey, Trainer, lass mich ruhn.
Nimm mich heraus, bring Thorsten Fink,
der weiß schon was zu tun

ist bis zum allerletzten Pfiff,
das dauert nicht mehr lang.”
Der Käpitän verließ das Schiff,
der Mannschaft wurde bang:

“Dass Ihr das immer noch nicht wisst”,
vernahm man hinterher,
“dass der sich gerne mal verpisst,
wenn er grad wichtig wär.”

So sah er nun vom Spielfeldrand:
der Gegner schlug zurück.
In unsres Helden hohler Hand
zerrann sein großes Glück.

 

Heut sehnt er sich zurück an Bord,
spräng’ gern aufs Karussell.
Er könnt’s, bestimmt, in puncto Sport;
jedoch: er spricht zu schnell.

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Hintergründe zum Kalender.

0 Gedanken zu „zehn/zwanzigvierzehn

  1. Na schönen Dank auch. Beim Begriff “Chevy Chase” dachte ich Lyrik-Legastheniker natürlich an gepflegte Comedy – und werde stattdessen an einen meiner dunkelsten Momente als Fußballfan erinnert.

    Nicht sehr adventlich, Herr Kamke!

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