Das war also wieder einer Nachmittage, an denen man sich seiner Zeit beraubt fühlt. Zunächst will man die Spieler des Diebstahls bezichtigen, dann den Trainer, den Vorstand – nun gut, über die Reihenfolge wäre wohl noch zu diskutieren –, möglicherweise auch noch kurz den Schiedsrichter, um irgendwann dann doch wieder bei sich selbst anzukommen. Nein, nicht in seiner Mitte ruhend, sondern bei der Suche nach dem Dieb.
Ich hatte es in der Hand. Die Familie hatte mir attraktive Angebote zur Sonntagnachmittagsgestaltung unterbreitet, ich hatte unverzüglich und berechnend mit einem vermeintlich attraktiven Sonntagnachmittagsaktivitätsbegleitungsangebot an den Sohnemann gekontert. Und gewonnen. Vermeintlich.
Hatte ja auch gute Argumente gehabt. Eines vor allem: das Spiel vom Donnerstag, in Bukarest. Das ich nur rudimentär in irgendwelchen dunklen osteuropäischen Ecken des Internets hatte verfolgen können, der Familie zuliebe. Noch einmal würde ich so eine Anfangsviertelstunde nicht verpassen. Sagte ich mir. Noch einmal sollte ich so eine Anfangsviertelstunde nicht verpassen. Sagte sich meine Frau. Zu präsent war nach wie vor jenes 4:4 gegen Werder, damals, bei dem ich meine Karte hergegeben hatte. Und noch das eine oder andere Spiel mehr. Sicher, da hatte es sich stets um verpasste Stadionbesuche gehandelt. Dennoch: Ich wollte die nächste Gala auf einem vernünftigen Bildschirm sehen. Ohne Schlieren.
Was für eine beschissene Idee! Von der ersten Minute an fiel jeder Abpraller, jeder “zweite Ball”, jeder Pressschlag den Freiburgern vor die Füße. Und das war kein Zufall. Es hatte damit zu tun, dass sie spritzig waren, gedankenschnell, konzentriert, entschlossen. Der VfB leider nicht. Stockfehler, Konzentrationsfehler, Ideenlosigkeit, man möge sich ein beliebiges negatives Attribut denken, das man einer schwachen Mannschaft (bzw. einer schwachen Leistung) gemeinhin zuschreibt, und wird immer ins Schwarze treffen.
Unfair? Vielleicht. Undifferenziert? Zweifellos. Und irgendwie bin ich auch schon wieder zur Ruhe gekommen. Solche Tage gibt es. Man gewöhnt sich daran. Was nichts daran ändert, dass die Frequenz zu hoch ist, aber das Grundsätzliche hatten wir ja schon. Stuttgarter Weg. Labbadia. Kader. Und so weiter.
Was mir indes recht wäre: wenn man nicht mit den Europapokalstrapazen argumentierte. Auch wenn das Herrn Streich ehrt. Und auch wenn die Uefa-Cup-Teams am Wochenende fast durch die Bank zu knabbern hatten.
Gerne erkenne ich dem Ergebnis im Übrigen die immer mal wieder genommene Wendung “auch in der Höhe verdient” zu. Mir ist schon klar, dass die Verantwortlichen das anders sehen, von vergebenen Chancen reden, damit auch recht haben, und wer weiß, theoretisch hätte das Spiel ja tatsächlich ein wenig anders laufen können, hätte Kuzmanovic die Führung erzielt, hätte Ulreich einen jener Tage erwischt, die er diese Saison schon häufig hatte, oder wäre der Freistoß vor dem 2:0 nicht wiederholt worden.
Allein: es übersteigt meine Vorstellungskraft, dass die Mannschaft ein völlig anderes Gesicht gezeigt hätte. Dann wären die Gegentore halt anders gefallen. Weil immer noch niemand in der Lage gewesen wäre, Kruse und Rosenthal zu stoppen. Oder auch nur einmal vor ihnen an den Ball zu kommen.
Vielleicht sollte ich nicht noch mehr Zeit drauf verwenden.
Auch nicht auf Aufstellung, Taktik oder Auswechslungen.
Letztlich war halt alles nichts.
Ob ich beim nächsten Mal meinen Willen wieder durchsetzen werde? Wollen werde? Wir werden sehen. Kamke junior wird zumindest weiterhin auf meiner Seite stehen. Es sei denn, der Alternativplan sieht ein innerfamiliäres Fußballspiel vor. Da ist zumindest die fulminante Anfangsviertelstunde garantiert.