Augen auf bei der Pseudonymwahl.

Die Ausgabe #87 der “11 Freunde” befasst sich mit mir. Will sagen, mit Heinz bzw. Heini Kamke. Das ist zwar grundsätzlich erst mal ein Grund zur Freude; das Thema an sich ist es weniger.

Tatsächlich nennt Autor René Martens zwar kurz meinen Namen; im Wesentlichen konzentriert er sich jedoch auf Ernst Werner, meinen Mentor: E.W. hatte mir nach meinem großen Spiel gegen die Charlottenburger (Ihr erinnert Euch: Flanke Plötz, Flugkopfball ich, Tor, 4:3, Wilmersdorf ist Berliner Schulmeister) den Ausbildungspatz bei der Fußball-Woche -die übrigens vor kurzem online gegangen ist– angeboten und so die Basis für meine spätere Blogger-“Karriere” gelegt.

Dieser Ernst Werner also, für dessen Vita ich mich nie so recht interessiert hatte, scheint mit nationalsozialistischem Gedankengut auf Du und Du gewesen zu sein. Martens zitiert unter anderem, wie bereits einige Jahre zuvor Erik Eggers, eine Äußerung Werners aus dem Jahr 1928 über den Trainer des österreichischen “Wunderteams”, Hugo Meisl:

„Im Plenum ist Hugo Meisl, der Wiener Jude, mit der Geschmeidigkeit seiner Rasse und ihrem zersetzenden Sinn einer der größten Kartenmischer. Er und der deutsche Fußballführer Felix Linnemann – zu Hause ein geschätzter Kriminalist – sind die stärksten Gegensätze, die man sich denken kann. Der eine ein Vertreter des krassen Geschäftemachens mit Fußball, der andere ein Apostel des Amateurismus.“

Martens zitiert noch eine Reihe weiterer Äußerungen, die nahelegen, dass Werner zeit seines Lebens nicht von seiner grundsätzlichen Position abgerückt ist. Es überrascht nicht, dass diese Haltung keinerlei Hindernis für seine weitere Karriere als bedeutender Sportjournalist war, Klaus Meßenzehl vom kicker hat laut Martens gar vom “Grandseigneur des Sportjournalismus” gesprochen.

Erst in den letzten Jahren wurde bspw. vom bereits genannten Eggers unter anderem die Rolle des deutschen Sportjournalismus im Nationalsozialismus, bzw. seine Entwicklung danach, beleuchtet. Auch Nils Havemann, der  im Auftrag des DFB dessen Rolle im Nationalsozialismus erforschte und unter dem Titel “Fußball unterm Hakenkreuz. Der DFB zwischen Sport, Politik und Kommerz” veröffentlichte, streift in seinem Buch unter anderen Ernst Werner. Allerdings wird seine Veröffentlichung kontrovers diskutiert und teilweise sehr kritisch gesehen.

Zum entstandenen Expertenstreit will ich mich nicht äußern. Aber so ganz unkommentiert bzw. ungebloggt konnte ich die Einsicht in das Gedankengut von E.W. nicht lassen. Im Übrigen scheint auch der Schiedsrichter unseres Berliner Endspiels, (Kopeken-)Carl Koppehel, mit dem ich mich nach dem Finale gut unterhalten hatte, den Nazis deutlich zu nahe gestanden zu haben.

Irgendwie beschäftigt mich das. Und zugegebenermaßen bin ich froh, dass Sammy Drechsel als unverdächtig gelten darf.

0 Gedanken zu „Augen auf bei der Pseudonymwahl.

  1. @hirngabel_
    zur Zeit hast Du es drauf, mich am Rechner laut loslachen zu lassen.

    Ja, komisches Gefühl, aber wie gesagt: mich beruhigt, dass Autor Sammy Drechsel ein politischer Kabarettist mit jüdischen Wurzeln ist.

  2. @sebastian:
    Und was ist die Konsequenz, wenn dieser Glaube wegfällt? Läuft man nicht Gefahr, dass das auf einen Generalverdacht hinaus läuft, der auch nicht in unserem Sinne sein kann?

    Oder aber, um Dich weniger radikal zu interpretieren: ist unser gemeinsamer Nenner “gesunde Skepsis”?

  3. @heinzkamke mir geht es eher darum, dass das mitmachen der normalfall war. und mich ekeln versuche, dieses “sauber geblieben” image zu erhalten, an. man kann ja auch zu seiner geschichte stehen. als journalist zu behaupten, im dritten reich sauber geblieben zu sein, ist ja schon ein versuch, das gegenüber für dumm zu verkaufen. jedenfalls, wenn man als journalist im dritten reich gearbeitet hat.

    vielleicht bringe ich einfach mal eine ddr-anekdote um mein anliegen zu verdeutlichen: die nationale front (sed+blockparteien) erreichte bei den “wahlen” eine zustimmung von über 98%. nach der wende behaupteten 98% der ddr-bürger zu den 2% wahlverweigerern gehört zu haben.

    ich denke, wir haben ein ähnliches verständnis.

    ja, was macht man, wenn der glaube wegfällt? nun ja, meine ersten sportidole waren ja ziemlich nachweislich durch ein dopingsystem gegangen. man glaubt einfach nicht mehr.

  4. @sebastian:
    Da hast Du mir gegenüber sicherlich einen Erfahrungsvorsprung.

    Klar, das Beispiel mit den Wahlverweigerern hatte ich so ähnlich auch schon gehört. Gleichwohl würde ich zögern, ganze Berufsgruppen a priori über einen Kamm zu scheren, der unterschiedlich starken Verstrickung wegen.

    Die von dir beschriebene “man glaubt einfach nicht mehr”-Haltung ist im Sport wohl unumgänglich. Im letzten Jahr dachte ich mal drüber nach, wie sehr mich noch einige Jahre zuvor Usain Bolts Leistungen beeindruckt hätten. So aber nahm ich sie zur Kenntnis, bedauerte zum einen die mangelhaften Kontollmöglichkeiten, zum anderen die -daran glaube ich noch- möglicherweise sauberen Athleten, die ihrer Erfolge beraubt wurden. Schade eigentlich, ich war gern begeisterungsfähig.

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