Müller, Nogly, Hoeneß, Löw und die anderen

Heute ist DFB-Pokal, morgen auch. Am Wochenende war Bundesliga, davor Europapokal. Dass irgendwann davor zwei Länderspiele stattfanden, ist längst wieder aus dem Fokus verschwunden. Wie auch die Debatte um Thomas Müller, den Joachim Löw demnächst für die Nationalmannschaft nominieren möchte, was aber Uli Hoeneß nicht so gerne sähe:

“Wenn ich früher ein ganzes Jahr lang so gespielt hätte, hätte mich Bundestrainer Helmut Schön zur Seite genommen und gesagt: Wenn Sie so weiterspielen, kommen Sie demnächst wieder zu uns.”

Widerspruch fällt insofern zunächst schwer, als Hoeneß zwar bei seinem Länderspieldebüt auch erst 20 Jahre alt war; er hatte jedoch bereits 57 Bundesligaspiele absolviert, also nahezu zwei komplette Spielzeiten als Stammspieler.

Der Bundestrainer verweist gleichwohl auf das Beispiel Hoeneß und dessen Debütalter, und zieht zudem Spieler wie Messi, Rooney oder Beckenbauer zum Vergleich heran, die ebenfalls früh debütierten. Die Medien nehmen den Ball gerne auf und bringen Namen wie Maradona, Pelé, Ronaldo oder Seeler ins Spiel – schließlich soll Müller ja nicht irgendein durchschnittlicher Nationalspieler werden. Joachim Löw beweist dann doch etwas mehr Augenmaß und nennt noch einige Spieler aus dem eigenen Stall, die gemäß “unserer Philosophie” frühzeitig in die Nationalmannschaft integriert worden seien: Podolski, Schweinsteiger, Lahm, Mertesacker, Özil. Interessanterweise ist Mesut Özil der einzige in dieser Reihe, der unter dem Cheftrainer Löw debütierte. Bei Per Mertesackers Debüt war er bereits als Jürgen Klinsmanns Assistent beteiligt, während Philipp Lahm, Lukas Podolski und Bastian Schweinsteiger noch unter Rudi Völler Nationalspieler wurden.

Doch zurück zu Hoeneß’ Vergleich mit Helmut Schön. Rein rechnerisch feierte sowohl unter Schön als auch bei Joachim Löw jedes Jahr ein 19- oder 20-jähriger Spieler sein Debüt, unter Klinsmann waren es mehr als zwei. Bei den 21- und 22-Jährigen liegen Klinsmann und Löw mit 2,5 Debütanten pro Jahr etwas höher als Schön, die 23-Jährigen sind eine löwsche Domäne, von 24-26 sind Löw und Schön auf Augenhöhe (2,5), Klinsmann etwas darunter, und ab 27 stört nur noch Cacau die schönschen Neulinge – Peter Nogly war mit 30 der Älteste, kam aber nur auf 4 Länderspiele. Insgesamt gab Helmut Schön im Schnitt jährlich 7 Debütanten eine Chance, bei Löw sind es deren 9. Jürgen Klinsmann beschränkte sich auf 6-7 pro Jahr.

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Dabei hatten Jürgen Klinsmanns 19- und 20-jährigen Debütanten im Schnitt deutlich weniger Erstligaspiele absolviert als ihre Pendants bei Löw und Schön, die sich in den unteren Altersklassen diesbezüglich grob die Waage halten. Insgesamt aber hatte der durchschnittliche Neuling bei Helmut Schön mit 88 Einsätzen deutlich mehr Erstligaspiele auf dem Buckel, als dies später bei Löw (57) und Klinsmann (40) der Fall war. Auch musste er bei Schön deutlich über 23 Jahre alt sein, während Joachim Löw kurz vor dem 23. Geburtstag zugriff, Jürgen Klinsmann gar vor dem 22.

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Stimmt – diese Darstellung ist insofern irreführend, als beispielsweise der Nogly-Balken ganz unten länger ist als der 23er, der für insgesamt 19 Spieler steht. Ein wenig Abhilfe (von Klarheit wage ich nicht zu reden) schafft vielleicht die folgende Darstellung, bei der die Größe der Datenpunkte die Menge der damit erfassten Spieler vermittelt:

Debuetanten03

Naturgemäß sinkt die Zahl der theoretisch erreichbaren Länderspiele mit zunehmendem Debütalter – ein Umstand, der die Schweinsteiger’sche Zahl möglicherweise irgendwann in den negativen Bereich abgleiten lässt, während der mit 26 sehr spät berufene Bernard Dietz gerade so über die 50 lugen kann – als einziger der über 23-jährigen Debütanten der Ära Schön:

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Quervergleiche zu Jürgen Klinsmanns oder gar Joachim Löws Schützlingen verbieten sich hier – schließlich möchte ich keinen der Herren bereits als Ex-Nationalspieler titulieren. Weder Lukas Sinkiewicz noch Christian Schulz noch Mike Hanke noch Andreas Görlitz noch David Odonkor noch Marco Engelhardt noch Patrick Owomoyela noch Frank Fahrenhorst aus dem Klinsmann’schen Stall, und auch nicht die Löw-Debütanten Roberto Hilbert, Jan Schlaudraff, Tobias Weis, Alexander Madlung, Clemens Fritz, Manuel Friedrich oder Jermaine Jones.

Quellen: dfb.de, fussballdaten.de

0 Gedanken zu „Müller, Nogly, Hoeneß, Löw und die anderen

  1. Die jüngsten Debütanten in der deutschen Nationalmannschaft unter den drei o.g. Trainern waren also (in der Reihenfolge ihres Alters, von 19-21):

    Breitner (der jüngste)
    Kh Förster
    Köppel
    Beckenbauer
    Nafziger
    H Müller (H Müller? Wer war denn das?)
    Gerd Müller
    Bonhof
    U Hoeneß
    Stielike
    Vogts
    Körbel
    und
    Netzer (mit 21 der Älteste)

    Ziemlich ordentliche U21, sage ich mal. Mehr als ziemlich.

    1. Nee, da war ich wohl nicht ganz klar: die letzte Grafik berücksichtigt nur die Schön-Debütanten.
      Andernfalls wären u.a. Sinkiewicz, Jansen, Marin, Castro, Huth dabei, nicht aber Netzer, Körbel,…

      Und H steht natürlich für Hansi 🙂

  2. @probek:
    Ich versuch mich mal an der taktischen Aufstellung:

    Körbel
    Vogts – Stielike – Förster – Breitner
    Bonhof – Beckenbauer – H Müller
    Nafziger – G Müller – Hoeneß

    Ich weiß nicht, wie stark Körbel im Tor ist, und Uli Hoeneß’ linken Fuß kann ich auch nicht so recht einschätzen.

  3. Hansi! Natürlich. Danke.

    Aber auch die Mannschaft allein der Schönschen Jüngsten ist recht ordentlich, nur den Torwart halte ich für falsch besetzt. Da der aber als Vorstopper nicht so gut mit Beckenbauer konnte, vielleicht die einzig akzeptable Lösung.

    1. Zumal wir von einer Zeit sprechen, als die Deutschen noch nicht mit zwei oder mehr Vorstoppern antraten, wie beispielsweise bei der WM 86 mit Jakobs, Förster und Eder.

  4. ich dachte klinsi wäre “brot” und nicht blond… statistiken sind das neue schwarz in den blogs, oder? es ist nur eine frage der zeit, bis die daten geklaut werden von den etablierten medien. schöne aufstellung!

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