Die Rechtschreibtrainer von der Uefa

Die Uefa lässt sich ja immer mal wieder was einfallen. Daher überrascht es nicht, dass man in Nyon eine Orthographie-Initiative ins Leben gerufen zu haben scheint. Weshalb fehlerhafte Banner und Plakate bei Europapokalspielen nicht mehr geduldet werden. Wenn also jemand beispielsweise versehentlich “Kaze” statt “Katze” schreibt, sind die Ordner, die hierfür ein spezielles Dudentraining durchlaufen haben, verpflichtet, die besagten Banner zu entfernen.

So hatten wir gestern in Stuttgart den Fall, dass ein aufmerksamer Ordner, von dem wir leider nicht wissen, ob er selbst darauf aus war, die Kenntnisse aus besagter Fortbildung umzusetzen, ob er einen Hinweis seitens der ebenfalls sensibilisierten Vereinsführung erhalten hat, oder ob er gar von den stets aufmerksamen Aufsichtsgremien auf den Fehler aufmerksam gemacht wurde, dass also dieser Ordner rechtzeitig vor Spielbeginn ein Banner entfernte, das offensichtlich ein t zuviel enthielt:

“Mit Euch gehen wir vor die Hundte!”

Mir persönlich ist noch nicht ganz klar, wer mit “Euch” gemeint ist und wer weshalb vor die Hunde gehen sollte, aber irgendwie scheint man hier, so sehr ich orthographische Korrektheit schätze (ohne sie selbst stets liefern zu können), ein wenig über das Ziel hinaus geschossen zu sein. Dies schienen auch die Beobachter der Aktion so zu sehen, deren Reaktion zwischen Belustigung, Verärgerung und Fassungslosigkeit schwankte. Ich zählte zu letzteren.

Manch einer ging sogar so weit, Verschwörungstheorien zu entwerfen, denen zufolge es gar nicht um orthographische Gesichtspunkte gegangen sei, sondern vielmehr um den Versuch, den Anschein von Kritik an der Vereinsführung aus dem Stadion zu verbannen. Besonders wagemutige Zuschauer wagten gar die These aufzustellen, es habe sich nicht einmal um eine Maßgabe der Uefa gehandelt, sondern um eine Wahrnehmung des Hausrechts seitens des VfB.

Nun, ich weiß nicht, welches die wirklichen Hintergründe sind. Ok, den Orthographieansatz halte ich nicht für allzu wahrscheinlich. Dass die Uefa keine kritischen Äußerungen sehen will, erscheint indes nicht sonderlich weit hergeholt, wenn man das sonstige Gebaren größerer Sportverbände als Vergleichsmaßstab wählt. Könnte also sein. Früge man mich, was ich davon halte, würde ich wohl so etwas wie “lächerlich” sagen. Sollte indes der VfB eine entsprechende Direktive ausgegeben haben, tendierte ich dann doch eher zu armselig.

Ach, Fußball wurde natürlich auch gespielt. Bisschen schade, dass beide Mannschaften ohne Sturm angetreten waren, Getafe noch dazu ohne Motivation. Der VfB hatte sich im Mittelfeld, speziell auf den Außenbahnen, der Entschleunigung verschrieben, was ich nur bedingt mit Jens Kellers Anliegen, schneller umschalten zu lassen, in Einklang bringen kann. Ganz offensichtlich hat Christian Gentner keinerlei Vertrauen in seine eigene Schnelligkeit, möglicherweise gepaart mit Misstrauen seinem linken Fuß gegenüber, sonst würde er wohl kaum jede Gelegenheit zu einem zügigen Angriff abbremsen. Ich bleibe dabei: in einem System mit Doppelsechs, das nach meinem laienhaften Verständnis agile, dribbelstarke Außenspieler mit mindestens einem Hauch Stürmerblut erfordert, ist Gentner eben dort eine Fehlbesetzung.

Mauro Camoranesi war nicht wesentlich stärker, einige gute Bälle waren dabei, aber auch lässige Ballverluste. Manche meinen, er sei noch schwächer als Gentner gewesen. Zu diesen zählen sicherlich auch all jene, die ihn auspfiffen, als er eine vermeintliche Konterchance abbrach, bei der er gemeinsam mit zwei anderen Stuttgartern auf eine sechsköpfige Defensive zulief. Mag sein, dass ich mich zu sehr am Machbaren orientiere und zu selten an das Unmögliche glaube, aber ganz ehrlich: genau diese Übersicht hatte ich mir von Camoranesi erhofft. Natürlich würde ich mir auch noch mehr Effizienz, mehr Gefahr über seine rechte Seite wünschen – aber wenn er an der einen oder anderen Stelle ein bisschen Vernunft ins Spiel bringt, ist das auch schon mal nicht schlecht.

Der VfB hat gewonnen, es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn man die nächste Runde im Uefa-Cup verpasste, man musste nicht an seine Grenzen gehen, konnte sogar einzelne Spieler ein wenig schonen, die Null stand, ebenso die Innenverteidigung, die Außenverteidiger machten ihre Sache ordentlich, Boka phasenweise mehr als das, Träsch und Kuzmanovic waren Herren der Lage.

Ob das am Sonntag gegen den FC St. Pauli, der sich im Gegensatz zu Getafe wohl nicht erst in den letzten 20 Minuten bemühen wird, den Eindruck von Lustlosigkeit zu verwischen, reichen kann, werden wir sehen. Jens Keller hat wohl bereits daran erinnert, dass auf den letzten Europapokalheimsieg gegen YB das 7:0 gegen Gladbach folgte. Mir würde ja schon ein 1:0 reichen. Andernfalls wird der gestrige Sieg weder dem VfB noch Keller selbst sonderlich viel geholfen haben. Und mal ehrlich: wer will im November schon wieder Hundtstage erleben?

0 Gedanken zu „Die Rechtschreibtrainer von der Uefa

  1. Hab das Thema gestern abend ja schon mal kurz mit Gentner bei Twitter angeschnitten.

    Mal schauen, nach dem Wolfsburg-Spiel würde sich so ein Text sehr anbieten. Zum einen natürlich durch Gentners Vita und zum anderen werde ich vor Ort sein und kann dann mal speziell auf ihn achten.
    Mir ging das Gentner-Bashing jedenfalls am letzten Samstag gegen Schalke schon etwas auf den Senkel und glaube einfach, dass er einen entscheidenden Anteil daran hat, dass Boka gerade so (relativ) glänzen kann.
    Während übrigens auf der anderen Seite Gebhart (bzw. dessen Defensivverhalten) einen nicht unbedeutenden Anteil daran hatte, dass Celozzi auf Schalke weit weniger gut aussah als sein Counterpart auf links.

  2. Hab gestern abend bei Twitter nicht viel mitbekommen, und leider auch das Spiel in Gelsenkirchen nicht gesehen.

    Gegen Getafe fand ich es schlichtweg verheerend. Das war ganz gewiss nicht in jedem Spiel so. Gestern indes war es -eigentlich erstmals- so, dass rings um mich herum die Leute mehr über Gentner schimpften als ich es getan habe.

  3. Tja, und ich habe gestern nur die letzten 30 Minuten gesehen. Dementsprechend kann ich hier ja auch nur mit halbgaren Eindrücken um mich schmeissen.

    Nuja, ich denke, ich werde gegen Wolfsburg einfach mal die GentnerCam laufen lassen und dann mal schauen, zu welchem Urteil ich danach komme. Wenn er denn da überhaupt noch spielt…

    Ich finde aber generell leider, dass man sich in Stuttgart (vielleicht ist das auch anderswo gleich) sehr schnell auf eigene Spieler einschießt und diese grundsätzlich madig macht(-> vgl. Hilbert, Roberto). Und das geht mir doch mittlerweile gepflegt auf den Keks.

  4. Ich finde aber generell leider, dass man sich in Stuttgart (vielleicht ist das auch anderswo gleich) sehr schnell auf eigene Spieler einschießt und diese grundsätzlich madig macht(-> vgl. Hilbert, Roberto).

    Ok, bei Hilbert bin ich als erklärter Fan unverdächtig.

    Bei Gentner ist das anders, da hatte ich -ungeachtet nostalgischer und lokalpatriotischer Gründe, für die ich auch zu haben bin – von vornherein Zweifel, ob die Verpflichtung aus sportlicher Sicht, vor allem unter Trainer Gross, sinnvoll sei, und sehe mich bis dato bestätigt. Das mag anders aussehen, wenn man dereinst vom Grossschen System abweichen sollte. Und ich kann mir auch durchaus vorstellen, dass Gentner im bestehenden System neben Träsch eine bessere Figur abgibt als gegenwärtig auf links, wenn Kuzmanovic ausfallen sollte (oder der Trainer ihn einfach vorzieht).

    Ob aus der Kritik ein generelles Bashing wird, weiß ich nicht. In den Zeitungen hatte ich bisher, anders als phasenweise bei Hilbert, nicht den Eindruck. Und auch im Stadion war die Kritik, wiederum anders als teilweise bei Hilbert, durchaus an der Sache orientiert.

  5. Aus einem Schreiben der Uefa:
    “Sehr geehrter Herr Kamke,
    in Ihrem Blog “angedacht” hat ein gewisser Jens fehlerhaft kommentiert. Dies steht im Widerspruch zu unserem Anspruch, unser Spiel jeden Tag ein bisschen fehlerfreier zu machen. Bitte schaffen Sie Abhilfe.”

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