Falsches Eis.

Ich trage eine Teilschuld.

Markus Babbel hatte es letzte Woche im Interview mit den Stuttgarter Nachrichten enthüllt, @droitaubut hatte die Nachahmung zum Programm gemacht, und ich selbst hatte es mir fest vorgenommen: am Vorabend eines VfB-Spiels gilt es, für jeden Punkt eine Kugel Eis zu Essen.

In meinem Kurzurlaubsdomizil gab es aber keine Eiskugeln. Zwar habe ich mir das größte aufzutreibende Eis am Stiel als adäquaten Ersatz schöngeredet; dass es sich nicht um mehr als einen schnöden Selbstbetrug handeln konnte, musste ich mir indes bereits vor dem Spiel eingestehen: ein Eis am Stiel ist keine ernst zu nehmende Alternative.

Mir liegen keine Informationen über den Speiseplan im Mannschaftshotel vor; es würde mich jedoch nicht überraschen, wenn auch Markus Babbel und insbesondere seine Spieler kein Eis (oder zumindest das falsche) bekommen hätten – und sich der Konsequenzen ebenfalls bereits im Vorfeld des Spiels bewusst gewesen wären.

Zwar versuchten sie sich in den ersten Minuten durchaus an etwas, das man mit einem gewissen Wohlwollen als Forechecking (wenn auch nicht im Happelschen Sinne) bezeichnen darf, und konnten die Bayern zunächst auch ein wenig irritieren. Sehr früh wurde jedoch deutlich, dass der designierte Tourneedebütant Christian Träsch auf einen entschlossenen Franck Ribéry traf, der sich zwar zu allerlei Mätzchen bemüßigt fühlte, der aber die spielentscheidenden Dribblings suchte – und dabei recht früh Khalid Boulahrouz zu einem sogenannten Eigentor zwang. Der eine oder andere Stuttgarter dachte spätestens jetzt an sein Stieleis und schien bereit, den Gang der Dinge hinzunehmen.

Im letzten Drittel der ersten Hälfte berappelte man sich wieder und startete kurz vor der Pause einige gute und endlich zielgerichtete Aktionen, wobei unter anderem Butt Träsch, Butt Hitzlsperger, Butt Gomez. Khedira sich selbst, Gomez und Cacau einander und die Unparteiischen bei den kleinen Entscheidungen zunächst verstärkt dem VfB, insgesamt aber  dem Spiel an sich im Weg standen.

So ging man mit einem  Rückstand in der Pause, wo irgendjemand nochmals die Sache mit dem Eis zur Sprache gebracht haben muss, sodass eine Stuttgarter Mannschaft aus der Kabine kam, die zwischen dem Glauben an die Wende und der Angst vor dem zweiten Gegentreffer hin- und hergerissen schien. Einige Stuttgarter, namentlich insbesondere Sami Khedira und Roberto Hilbert, schienen zwar entschlossen, den Sieg noch zu erzwingen, bei anderen überwogen Vorsicht und die Hoffnung auf den (doppelten!) Lucky Punch.

Da jedoch auch die Defensive zurückhaltend agierte, war das 2:0 eine folgerichtige Entwicklung mit dem positiven Nebeneffekt, dass der VfB nun endgültig nichts mehr zu verlieren hatte und einen Zwischenspurt einlegte. Mario Gomez empfahl sich mit einer Einzelaktion zum 2:1 nochmals eindrücklich seinem möglicherweise künftigen Arbeitgeber, und wenn er kurz darauf frei vor Butt etwas zielsicherer gewesen wäre, hätte noch eine heiße Schlussphase folgen können. So aber war der Stuttgarter Widerstand nach dieser Aktion und wohl auch angesichts der klaren Karlsruher Führung[1]
gegen die Hertha endgültig gebrochen. Die Bayern ließen den Ball laufen und der VfB kam überhaupt nicht mehr in die Zweikämpfe.

Die Bayern haben letztlich verdient gewonnen. Der VfB hatte zwei Phasen, in denen er zumindest einem weiteren Treffer recht nahe war, sodass sich die Gastgeber auch über ein Unentschieden nicht hätte beschweren können; alles in allem warf der VfB angesichts der Perspektive Platz 2 bzw. direkte Qualifikation für die Champions League jedoch schlichtweg zu wenig in die Waagschale.

Soviel zum Samstagsspiel.

Insgesamt bin ich jedoch mehr als zufrieden. Von 11 auf 3 ist nicht so schlecht, die CL-Quali ist weit mehr, als man im Winter erträumen durfte, Markus Babbel und Rainer Widmayer haben der Mannschaft Perspektiven aufgezeigt, die vielleicht dazu beitragen können, Spieler wie Sami Khedira oder Serdar Tasci noch recht lange eine Weile zu halten, und Horst Heldt wird sich hoffentlich auf die Gomez-Verhandlungen (so oder so) konzentrieren, anstatt mit Wolfsburg zu konferieren. Dies in aller Kürze, ein ausführlicheres Saisonfazit sollte zu gegebener Zeit folgen.

Und natürlich ist der VfL Wolfsburg ein verdienter Meister.

PS: Erneut hatte ich am Samstag das Vergnügen vor dem Spiel einen Fußballblogger zu treffen. Wiederum war es zu kurz, aber immerhin hat’s gereicht, um meine Getränkeschulden bei probek zu begleichen. Erfreulicherweise war es dank probeks Hilfe nicht nötig, eine Bezahlkarte zu erwerben – ein Schritt, den ich selbst im heimischen Neckarstadion bis dato unter tätiger Mithilfe des PSV nicht gehen musste…

1.Interessant, wie der Stuttgarter Anhang während des Spiels über jedes Tor des KSC und nach dem Spiel über dessen Abstieg jubelte. One Night Stand?

0 Gedanken zu „Falsches Eis.

  1. verdorbener magen und direkte cl-qualifikation? fan eines vereins wird man ja nur durch aktives leiden an dem selbigen. insofern bin ich dafür, dass du die sache mit den drei stieleisen zumindest für die beiden qualifikationsspiele ernsthaft in erwägung ziehen solltest.

    1. (ok, offenbar vertrete ich hier eine Minderheitenmeinung. Aber Atheismus ist auch für Fußballfans eine Lösung, glaube mir – die Alternative kann echt ausarten)

      1. recht hast du. hatte auch mal die sache mit einem glücksbringer probiert. aber es gibt gegner, die das einfach ignorieren 😉

  2. Alles in allem war’s doch ein sehr unterhaltsamer Nachmittag in der Arena, obwohl Werder erwartungsgemäß nicht mehr für die erhoffte Überraschung sorgen konnte.

    Für Horst Held ist der VfB doch ein absoluter Glücksfall, wenn der nach Wolfsburg wechselt ist er mit dem Klammerbeutel gepudert: sooo doll waren seine Transfers (Marica, Bastürk geholt; Beck abgegeben) auch nicht.

  3. @sebastian:
    Den Zusammenhang zwischen drei Stieleisen und “Leiden” habe ich noch nicht so recht verstanden – es wäre mir doch ein Vergnügen 😉

    @probek:
    Der Aberglaube nährt die Illusion, selbst Einfluss nehmen zu können…

    @Erik:
    Keine Frage, ich hatte Spaß, war angetan von den mitgereisten VfB-Anhängern, schüttelte einmal mehr den Kopf über die Platzierung der Nordkurven-Heimfans direkt unter denen der Gäste, und musste mich auch nicht der Gewissensfrage stellen, ob ich meine Familie im Urlaub zurück lassen könne, um zur Meisterfeier nach Stuttgart zu reisen.

    Heldt sehe ich insgesamt schon positiv, auch wenn die Kritik an den Transfers von Marica und Bastürk nicht zu widerlegen ist. Beck hätte ich in der damaligen Situation auch abgegeben, was gegen meine Fußballkompetenz sprechen mag.

    1. Das gefällt mir nicht.
      Ich meine nicht die Sache mit dem Abnehmen, das nimmt man in Kauf. Sondern Deinen Hinweis auf 7 fette Jahre, die doch erfahrungsgemäß 7 magere nach sich ziehen.

  4. Danke aus der Ferne (momentan aus dem kühl-regnerischen Denver) für den Erlebnisbericht!

    Ansonsten halte ich es mit Deinem Zwischen-End-Fazit:

    “Von 11 auf 3 ist gar nicht mal so schlecht.”

    Und der Horschtl soll mal schön bei uns bleiben, da wird er glücklicher. Und wir auch, denke ich, obwohl jeder ersetzbar ist.

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