Grandioses Comeback: die englische Woche

Nach dem Stuttgarter Sieg in Augsburg hatte ich bei Sportradio360 im Liga Globus sinngemäß angekündigt, mir bei einem weiteren Erfolg gegen Bremen für die kommende Saison nur noch englische Wochen zu wünschen.

Nun, ich wurde erhört. Nicht nur schlug der VfB Werder mit 4:1; vielmehr hielten sich auch die anderen Uefa-Cup-Kandidaten an mein Drehbuch und ließen durch die Bank Punkte liegen, sodass die ersten englischen Wochen bereits gesichert sein dürften und wir von Ventspils, Molde, Györ oder Domzale träumen dürfen – die bestimmt auch Martin Harnik im Sinn hatte, als er auf den Zaun stieg und Europapokalträume befeuerte (wenn auch noch ein wenig schüchtern, wie mir unter akustischen Gesichtspunkten schien).

Und natürlich freue ich mich, ohne die Saison vor dem letzten Spieltag loben zu wollen, auf internationale Spiele, gegen wen auch immer. Dass sich der Uefa-Cup finanziell kaum lohnt, ist ein Webfehler des Wettbewerbs, und dass ich vor einiger Zeit sagte, mir sei eine vernünftige Vorbereitung auf die kommende Saison, insbesondere mit Blick auf den verstärkten Einbau junger Spieler, wichtiger als die Europapokalteilnahme, stimmt ebenso; das ändert nichts daran, dass ich mich darauf freue und eine Teilnahme als erstrebenswert wie auch dem Ansehen des VfB förderlich betrachte. Und, ja, auch der sportlichen Entwicklung.

Überhaupt, die sportliche Entwicklung: Seit Monaten kursiert, auch hier, die Forderung nach einem erkennbaren sportlichen Konzept, einer Handschrift, meinetwegen auch einer Philosophie, anstelle eines bloßen pragmatischen und anscheinend nicht perspektivisch angelegten Ringens um Punkte. Am Freitag diskutierte ich mit einem Freund darüber, dass der VfB gegen Werder genau den Fußball gezeigt hatte, den wir von Labbadias früheren Stationen kannten. Das war kein brillantes Offensivspiel in dem Sinne, dass wir ein Feuerwerk aus verwirrenden Kombinationen erlebt hätten – die Frage, wie der VfB zu Toren gekommen wäre, wenn die Standardsituationen, auch dank tätiger Bremer Unterstützung, nicht so überragend funktioniert hätten, bleibt unbeantwortet.

Aber es war insofern überzeugend, konzeptionell quasi, als die gegnerische Abwehr im Grunde erstickt wurde. Die Stuttgarter Offensive übte beim Bremer Spielaufbau derart viel Druck aus, dass die Bälle ein ums andere Mal rasch gewonnen wurden, angeführt von Hajnal, der bis zu seinem Ausscheiden immer wieder in högschdem Tempo die Außenverteidiger anlief. Wunderbar auch Sakai, der bei einem möglicherweise bedrohlichen Bremer Konteransatz eben nicht den Weg nach hinten antrat, sondern mit großer Entschlossenheit weit nach vorne sprintete, um den ersten Ball des Bremer Aufbauspielers zu verhindern.

Sowas kann auch schiefgehen. Eine spielstarke und selbstbewusste Mannschaft hätte beispielsweise in der gerade genannten Sakai-Situation, aber auch bei der einen oder anderen weiteren Gelegenheit, die fast schon übermütig anstürmenden Stuttgarter vielleicht ins Leere laufen lassen und die entstehenden Räume genutzt, und vermutlich wird so etwas, wenn man diese Spielweise beibehält, auch noch das eine oder andere Mal passieren. Gehört zum Lernprozess. Die Bremer waren dazu indes nicht in der Lage. Sie waren schon mit einer gehörigen Portion Verunsicherung angetreten, die im Lauf des Spiels zunahm und selbst ihrem nur selten an mangelndem Selbstvertrauen leidenden Torhüter immer wieder einfache Abspiele in Stuttgarter Füße abrang.

Vor dem Spiel hatte ich noch gesagt, man müsse darauf hoffen, dass keine Auswechslungen nötig würden. Zu gering erschien mir das Kreativpotenzial auf der Bank, und auch aus heutiger Sicht empfinde ich es noch immer als bemerkenswert, sich auf (in der Tat erfolgte) Geniestreiche von Hajnal und Gentner zu verlassen und auf der Bank weder Timo Gebhart noch einen zentralen Nachwuchsspieler sitzen zu haben. Doch auch hier gilt einmal mehr, dass derjenige, der gewinnt, recht hat. Also auch wir, die wir seit Wochen Molinaro für Boka forderten, um am Freitag zu sehen, wie vorne seine – unbedrängten – Hereingaben nicht ankamen und er hinten den Bock zum 0:1 schoss. Egal, gewonnen, recht gehabt.

Zwei der bemerkenswerteren Szenen der Partie spielten sich ganz in meiner Nähe an der Eckfahne ab. Zunächst die Ausführung eines trickreichen Eckballes, für die Sympathieträger Marko Marin und sein kongenialer Partner – ich glaube, es war Aleksandar Ignjovski – zur Freude des von Marin wiederholt herbeigerufenen Tobias Welz geschätzte fünf Minuten brauchten. Später folgte am selben Ort die (Achtung, Realitätsverlust!) Tiqui-Taqua-Einlage von Hajnal und Sakai, die sich Lukas Schmitz nach kurzem Mitwirkungsversuch nicht anschauen wollte. Er entschied sich statt dessen für Frustgelb, und man konnte es ihm nicht verdenken. Kein guter Tag für Werder.

Für den VfB war er indes, auch wenn man sich gegen Ende zielgerichtetere Konter gewünscht hätte, großartig. Zumal es am Torverhältnis eher nicht mehr scheitern sollte. Eines allerdings stellte sich als Mär heraus:

https://twitter.com/#!/heinzkamke/status/190903470088404992

Englische Wochen gibt’s trotzdem.

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