Ganz egal, wie die Saison endet: dieses Grinsen, das ich am Samstag ab ca. 17:12 Uhr auf den Lippen hatte und das ich bis tief in die Nacht nur gelegentlich in einem sehr bewussten, widernatürlichen Akt für einige Momente ablegen konnte, kann mir keiner mehr nehmen. Dieses unheimlich gute Gefühl, dass der VfB in der Endphase einer völlig verkorksten Saison aus eigener Kraft einen Europapokalplatz erreichen kann. Die Einsicht, dass eine Aufholjagd “mit Ansage” gelingen kann, die ich selbst noch vor kurzem ins Reich der Fabel verwiesen hatte. Ob es am Ende für die europäische Bühne reicht, muss man natürlich abwarten. Am Samstag indes war mir das völlig egal. Stunden nach dem Spiel schwirrten mir unaufhörlich Städtenamen durch den Kopf: “… Kopenhagen … Rotterdam … Mailand … Teneriffa …” ( es ist mir sowas von schnurz, ob die Städteauswahl dereinst in Karlsruhe geprägt wurde), und es ist nicht auszuschließen, dass der eine oder andere Passant ob des leise summenden, vielleicht auch laut singenden Spinners mit dem Kopf schüttelte.
Ich habe dann auch gleich eine kurze Recherche angestellt und durfte feststellen, dass Steaua derzeit auf dem CL-Qualifikationsplatz steht, während Dinamo und Rapid sich noch berechtigte Hoffnungen auf die Teilnahme am Uefa-Cup machen dürfen. Die Roma ist seit dem Wochenende definitiv für das internationale Geschäft qualifiziert, der FC København nahezu, Brøndby hat noch ganz gute Chancen. Feyenoord ist die Uefa-Cup-Teilnahme als zweifacher Pokalfinalist nicht mehr zu nehmen, Inter ist auf jeden Fall dabei, und auch bei Milan müssten Pferde und Apotheke sich gewaltig anstrengen, um die Europapokalqualifikation zu verhindern. Nur die Woche Sandstrand scheidet aus, nachdem sich CD Tenerife vor einer Woche von der Hoffnung auf einen Uefa-Cup-Platz verabschieden musste und für die kommende Saison gar die Zweitklassigkeit droht.
Kirche im Dorf lassen? Hab ich schon am Samstag nicht getan, als ich einen Kantersieg vorhersagte. Ok, war vermessen, aber für einen Sieg hat’s gereicht. Leverkusen hadert, klar, würde ich wohl auch tun. Vor allem mit Barnetta. Dass Bayer auch mit dem Schiedsrichter nicht zufrieden war, ist nachvollziehbar, und der Fußballgott war möglicherweise nicht auf ihrer Seite. Sie haben eine starke Leistung gezeigt, waren in der ersten Halbzeit die deutlich bessere Mannschaft, wussten spielerisch, läuferisch und taktisch insbesondere in Unterzahl zu überzeugen, aber es kam eben nichts dabei heraus. Jens Lehmann stand im Weg.
Dabei war es in den ersten Minuten alles andere als klar gewesen, dass Bayer zunächst so dominieren würde. Beide Mannschaften waren offensichtlich mit der Vorgabe auf den Platz gegangen, das Spiel von der ersten Minute an zu bestimmen, was fünf Minuten lang in ein herrlich anarchisches Auf und Ab mündete, in dessen Verlauf Timo Gebhart die Führung auf dem Fuß Schienbein?Knie?Oberschenkel? hatte, ehe die aggressiven Leverkusener doch die Oberhand gewannen und die Partie dominierten. Defensiv hatten sie sich gut auf die starke linke Stuttgarter Angriffsseite eingestellt, und offensiv machten sie mit der rechten Stuttgarter Seite, was sie wollten. Celozzi und Gebhart waren zu keinem Zeitpunkt in der Lage, Kroos und Kadlec Einhalt zu gebieten, und da noch dazu der sonst stets zu Hilfe eilende Träsch mit seinen eigenen Aufgaben kaum fertig wurde, konnte man von Glück reden, dass Leverkusen bis zur Pause nur einmal und der VfB gar ebenso oft getroffen hatte.
Während der Pause war ich dann sehr überrascht, dass sich mit Khedira nur ein Spieler aufwärmte; hatte ich doch Ersatz für Celozzi, Tasci, Gebhart, vielleicht gar Träsch gewünscht und für den angeschlagenen Molinaro befürchtet. Doch wieder einmal wusste der Trainer offensichtlich, was er tat. Träsch machte rechts hinten dicht, entlastete damit Gebhart und sorgte selbst für Schwung nach vorne, Khedira gab, trotz verletzungsbedingt noch etwas ausbaufähiger Dynamik, den Patron, Kuzmanovic blühte an seiner Seite deutlich auf, und die Innenverteidigung stabilisierte sich merklich, was natürlich auch daran lag, dass Leverkusen meines Erachtens nicht nur der Stuttgarter Stärke wegen, sondern auch aus eigenem Antrieb ein wenig zurückhaltender agierte – obschon sie immer wieder für gefährliche Gegenangriffe gut waren. Der VfB indes schnürte die Gäste nun in der eigenen Hälfte ein und ließ in einzelnen Phasen keine Befreiung zu. Dass man dabei keinen Treffer erzielte, ist nur zum Teil kritikwürdig, vor allem aber dem großartigen René Adler zuzuschreiben, der zwischen der 60. und 70. Minute zudem so lange versuchte, das Spiel schnell zu machen und Gegenangriffe zu initiieren, bis Jupp Heynckes eine stille Post einleitete: er schickte Rüdiger Vollborn zur Eckfahne, der den sich aufwärmenden Lars Bender mit eindeutigen Handzeichen animierte, zu Adler zu gehen, um diesen mit ebenso eindeutigen Handzeichen zu etwas langsamerem Spiel aufzufordern.
Wer jedoch daraufhin wie ich gedacht hatte, Bayer wolle nun nur noch den Punkt retten, sah sich getäuscht. Statt dessen gönnte sich der VfB eine kleine Auszeit und nahm das Tempo ein wenig heraus, was postwendend in gefährlichen Leverkusener Angriffen resultierte, die Jens Lehmann erfreulicherweise als persönliche Herausforderung auffasste – und mit Bravour bestand.
Zwischenzeitlich war Alex Hleb auf den Platz gekommen und hatte mich mit zahlreichen Ballverlusten und anschließender Untätigkeit so sehr in Rage versetzt, dass ich öffentlich dafür plädierte, zu zehnt weiterzuspielen – glücklicherweise erhörte mich niemand, so dass Hleb Pogrebnyak brillant einsetzen konnte, dessen Hereingabe auf Umwegen ihren Abnehmer fand, über den an anderen Stellen genug gesagt wird: Cacau!
Der Rest war Grinsen.
Ach, und falls es mit Mailand oder Teneriffa nicht klappen sollte, würde ich auch Liverpool, Rome oder einfach anywhere nehmen.
[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=onKrpUeocUk]
Ach, und was ich auf keinen Fall unterschlagen möchte:
Abschied ist ein scharfes Schwert, Teil 2 -diesmal ging die Rückschau bis zum Europapokalfinale gegen Neapel, mit Maradona im VfB-Trikot bei der Pressekonferenz:
[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=Yxx_3-0W18w]
(via lostboys99, natürlich)
Hach, bei Beautiful South bekomme ich für meinen Teil auch immer ein Grinsen ins Gesicht. Wobei “seliges Lächeln” trifft es wohl besser – einfach eine Band mit sehr vielen tollen Pop-Songs. Müsste mal schauen, wo ich eigentlich das alte Album rumliegen habe…
War sicherlich sehr geil das Spiel im Stadion zu sehen, kann ich mir vorstellen. Und die Choreo war auch wieder sehr beeindruckend (tolles Video auch wieder von den lostboys99). Wobei, ich habe das Spiel auf einer Terrasse beim Grillen in strahlendem Sonnenschein und via WDR2-Radiokonferenz genossen. Das hatte auch was – zumal noch ein sehr gut mit mir befreundeter Leverkusen-Fan mit anwesend war… 🙂
Was denkst Du: Wird es dann in Zukunft doch auf Träsch wieder hinten rechts hinauslaufen und K&K zentral?
Ganz schwierig, die K&K-Frage.
Ich hatte mir das ja immer als Idealvorstellung auf der 6 ausgemalt: zwei ähnlich veranlagte, vielseitige Spieler, die (auch) dadurch nur schwer auszurechnen sind. Die bisherigen Versuche hatten allerdings nicht so recht geklappt, was dafür spricht, es entweder einmal etwas länger, d.h. ein paar Spiele lang, auszuprobieren, oder aber an Träsch festzuhalten, dessen Defensivarbeit gar nicht hoch genug gelobt werden kann (und die mE auch deutlich besser ist als es seine Defensivleistung rechts hinten je war).
Am Samstag hat mich Träsch auf der Außenbahn erstmals in der Offensive überzeugt, defensiv war er in der zweiten Halbzeit solide, wenn auch bei weitem nicht so sehr gefordert wie zuvor Celozzi. Einen erneuten Versuch wäre es sicherlich wert.
Ich würde es ja gerne sehen, wenn der VfB in den letzten drei Saisonspielen mit der Aufstellung der zweiten Halbzeit spielen würde, sprich mit K&K in der Zentrale, sowie Träsch auf hinten rechts. Ich denke, die Gegner sollten es hergeben, dass man dies mal als Testlauf bringen kann, ohne allzu große Gefahr zu laufen, hier zu viel Risiko zu gehen.
Wenn das funktioniert (und natürlich Khedira kommende Saison beim VfB bleibt), dann würde ich das sehr gerne als Stammformation für die nächste Spielzeit sehen. Damit würde man ja eben auch das Überangebot in der Mittelfeldzentrale etwas entzerren, wo ja noch Gentner dazu stößt und man mit Lanig jemanden hat, der dort auch schon so einige Spiele für den VfB absolviert hat.
Oder es läuft eben auf einen Systemwechsel zum 4-3-3 (bzw. 4-5-1 oder 4-3-2-1) hinaus. Aber dafür gabs ja bislang noch nicht allzuviele Anzeichen, die ernsthaft auf solche Gedankenspiele hindeuten.
So oder so, ich bin echt gespannt, wie der Kader und speziell die Startformation vor allen Dingen im Mittelfeld kommende Saison aussehen soll. Aber das geht uns allen sicherlich recht ähnlich.